Infobrief vom 01. März 2018
Institut für Bienenkunde Celle
Aus aktuellem Anlass: Lithiumchlorid ist kein zugelassenes Varroazid. Wer Lithiumchlorid bei den Bienen anwendet verhält sich verantwortungslos, verstößt gegen das Arzneimittel- gesetz (AMG) und sorgt womöglich für unzulässige Rückstände im Honig
Nach der euphorisch geprägten medialen Berichterstattung über erste Untersuchungs- ergebnisse zu Lithiumchlorid, das eine akarizide Wirkung auf Varroamilben aufweist, häuften sich bei uns Nachfragen aus der Imkerschaft und der allgemeinen Öffentlichkeit zu dem Thema. Dabei gab es auch den ein und den anderen, der nachfragte, wo man gar das neue Varroazid kaufen könne. Jetzt ist uns zur Kenntnis gekommen, dass es schon Imker geben soll, die ihre Völker mit Lithiumchlorid gegen die Varroamilbe behandelt wollen.
Das nehmen wir zum Anlass Sie hierin aufzuklären.
■ Der Wirkstoff Lithiumchlorid weißt eine pharmakologische Wirkung gegen die Varroa- Milbe auf und schädigt die erwachsenen Bienen eher nicht. Lithiumchlorid ist jedoch schon in geringsten Mengen höchst toxisch für die Brut der Honigbienen
Lithiumchlorid weißt den Untersuchungen von Ziegelmann und ihren Kollegen1 nach eine sehr gute akarizide Wirkung gegen die Varroa-Milbe auf. Die Anwendung bei erwachsenen Bienen in kleinen Labor-Käfigversuchen und mit Kunstschwärmen zeigten offenkundig keine erkennbar negativen Effekte auf die erwachsenen Bienen. Andererseits weist es eine sehr gute Wirksamkeit gegen die Varroa-Milben auf. Die Autoren der gerade veröffentlichen Studie weisen darin selber darauf hin, dass die Ergebnisse lediglich als ein erster Schritt hin zur Entwicklung eines neuen Tierarzneimittels zu verstehen sind. Es fehlen demnach noch Untersuchungen zu möglichen subletalen-Effekten, zu möglichen Nebenwirkungen auf adulte Bienen und auf die Bienenbrut, so die Autoren. Ebenso stehen Untersuchungen zu möglichen Rückständen in den Bienenprodukten aus. Der Patentanmeldung aus dem Jahre 2016 (WO 2017042240 A1)2 der Sitools Biotech Gmbh und der Universität Hohenheim ist jedoch schon jetzt zu entnehmen, dass das Lithiumchlorid eine letale Wirkung auf Larvenstadien der Honigbiene unter Laborbedingungen aufweist. Diese toxische und damit tödliche Wirkung auf die Bienenbrut tritt sogar schon bei niedrigsten Lithiumchlorid- Konzentrationen im Futter auf.
■ Es gibt derzeit kein zugelassenes Lithiumchlorid-basiertes Varroazid Wenn auch die von der Universität Hohenheim und von dem Bieneninstitut in Veitshöchheim veröffentlichten Pressemeldungen suggerieren, dass „ein Durchbruch im Kampf gegen die Varroa gelungen sei, um ein potentielles Medikament zu entwickeln, das befallene Bienenstöcke mit geringem Arbeitsaufwand über die Fütterung von der gefürchteten Varroa-Milbe befreien zu können“, so ist heute daraus noch keine wirksame Therapie gegen die Varroa entwickelt worden. Entsprechend gibt es auch derzeit kein zugelassenes Medikament für die Anwendung bei Honigbienen.
Es ist jetzt schon ableitbar, dass mit dem Lithiumchlorid nur ein äußerst begrenztes Therapiespektrum erlangt werden kann, da es hoch toxisch auf die Bienenbrut wirkt. Denkbar ist beispielsweise die Anwendung bei brutfreien Jungvölkern in der Phase ihrer Erstellung. Insgesamt wird es mit dem Lithiumchlorid zukünftig kein „Wundermittel“ geben, wenn auch offenbar erstmals ein systemisch wirkender Wirkstoff voruntersucht wurde. Es ist zudem denkbar, dass andere Lithiumsalze ebenso oder gar noch wirksamer sind. Zumindest deuten die publizierten Ergebnisse darauf hin. Eine Varrozid-Entwicklung basierend auf dem Lithiumchlorid und ein sich daran anschließendes langwieriges Zulassungsverfahren werden noch viele Jahre dauern. Das gilt es alles abzuwarten.
■ Verantwortungsloses Verhalten und Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz (AMG)
Abgesehen von bislang gänzlich ungelösten praktischen Fragen nach der Dosierung am Bienenvolk und der Wirksamkeit der Substanz unter Freilandbedingungen, verhält sich jeder, der Lithiumchlorid gegen die Varroamilbe einsetzt, verantwortungslos und verstößt gegen das Arzneimittelgesetz. Zudem ist Lithiumchlorid wasserlöslich und kann somit theoretisch unzulässige Rückstände im Honig verursachen. Das ist ein Sachverhalt, der Honig bekanntlich sofort die Verkehrsfähigkeit nehmen kann und somit auch noch gegen das Lebensmittelrecht verstoßen wird. Hier muss aus unserer Sicht auch an die Solidargemeinschaft der Imker insgesamt gedacht werden.
Derzeit verbietet sich also ganz eindeutig jegliche Anwendung von Lithiumchlorid an Honigbienen. Die illegale Anwendung ist zudem gar nicht nötig, da wir derzeit über eine genügende Anzahl hoch wirksamer und zugelassener Varroazide in Deutschland verfügen.
Wir wünschen trotz der angespannten Witterungslage Ihnen eine gute Auswinterung ihrer Bienenvölker und verbleiben mit den besten Grüßen
Dr. Otto Boecking und Dr. Werner von der Ohe
LAVES Institut für Bienenkunde Celle
Herzogin-Eleonore-Allee 5, 29221 Celle
Unsere Informationsangebote finden Sie unter: http://www.laves.niedersachsen.de/live/live.php?navigation_id=20073&article_id=73177&_psmand=23
Folgen Sie dem LAVES auf Twitter: https://twitter.com/LAVESnds
1 Ziegelmann B, Abele E, Hannus S, Beitzinger M, Berg S, Rosenkranz P (2018): Lithium chloride effectively kills the honey bee parasite Varroa destructor by a systemic mode of action. Scientific Reports 8, 683: doi:10.1038/s41598-017-19137-5
2 u.a.: https://patents.google.com/patent/WO2017042240A1/en
Hier finden Sie das Originaldokument des LAVES Instituts: Infobrief Laves Lithiumchlorid